17 KiB
title: Festivaltagebuch - W:O:A 2019 date: 05.08.2019 author: Markus description: Ein weiterer Artikel aus der Reihe „FDGL on Tour“. Diesmal mein ganz persönliches Festivaltagebuch zu Wacken 2019 mit einigen Erlebnissen und Konzertberichten. Habt Spaß!
Mo 29.07.2019, Anreise
Unsere Anreise beginnt bereits am Vortag, dem Sonntag den 28.07. und steht von Anfang an unter einem schlechten Stern: Die Abfahrt verzögert sich aufgrund eines Unwetters mit Starkregen. Anstatt mit dem fertig gepackten Auto loszufahren, verbringen wir zwei Stunden damit, Wasser im Keller aufzuwischen. Wir wollten uns eigentlich Höhe Kassel mit einer Freundin zum gemeinsamen Abendessen treffen und dort die Nacht verbringen. Nun ja, aus dem Abendessen wurde dann ein gemeinsames Frühstück und um 10:00 Uhr Montagmorgen ging es schließlich weiter, die restlichen knapp 400 km bis Wacken.
Was ich mir als lockere Fahrt vorgestellt hatte, erwies sich als Geduldsprobe, da die A7 derzeit wohl die längste Baustelle im Bundesgebiet ist… Eigentlich sah ich mich bereits ab 14:00 Uhr auf dem Campground das erste Bier köpfen und mit Freunden, die wir in Wacken kennengelernt haben und seitdem dort treffen, anzustoßen. Tatsächlich war es dann 18:00 Uhr bis wir den Platz erreichten. Immerhin lockerte sich der Verkehr nach dem Elbtunnel und alle Warteschlangen vor Wacken hatten sich bereits aufgelöst, so dass wir direkt auf den Platz fahren konnten. Wenigstens ein Vorteil, wenn man seine Wartezeit bereits auf der Autobahn abgeleistet hat.
Di 30.07.2019, Mit Freunden am Campground
Der Dienstag ist für uns immer der Freunde-Tag. Dieses Jahr erstaunt uns aber, wie viele Metalheads bereits den Montag oder Dienstag zur Anreise genutzt haben. Es ist bereits ziemlich voll. Ob zum 30-jährigen die Erwartungen besonders hoch sind? Oder haben mittlerweile mehr Leute zu schätzen gelernt, eine ganze Woche auf dem Acker zu verbringen?
Als wir am Montagabend die Festivalbändchen abholten, staunten wir über die völlig umgestaltete Campingfläche C, die nun den Wacken Plaza mit Bändchenausgaben, Food Court, Sponsorenständen sowie dem riesigen Kaufland Metalmarkt beherbergt. Der Plaza wirkt riesig und weitläufig und das ändert sich selbst an den Festivaltagen nicht, wenn alle Besucher vor Ort sind. Selbst die Rendsburger mussten mit ihrem Bauwagen vom angestammten Platz weichen und stehen nun weiter links und etwas tiefer als bisher. Sie sind mit ihrem blauen Wagen dennoch nicht zu verfehlen oder gar zu überhören.
Mit unseren Wacken-Freunden haben wir benachbarte Camps in bester Lage direkt neben dem Duschcamp S5 und wir freuen uns sehr Bierbel und Ulf, Heiko sowie Marion und Alex wiederzusehen. Unser Mitbringsel, ein gutes Fässchen fränkisches Huppendorfer Bier, wird mit Freuden angenommen. Die letzten Jahre konnten wir mit Löschzwerg-Kellerbier punkten, doch dieses Jahr waren diese als Dosen in unserer Region ums Verrecken nicht zu bekommen (weil der Edeka Großhändler sie nicht mehr gelistet hatte). Marion hat das Zelt mit laminierten Fotos der vergangenen Jahre dekoriert und Alex schießt den Vogel ab, als er eine Leinwand entrollt und seinen Beamer installiert, um via YouTube allen die aktuelle Harry Metal-Folge vorzuführen.
Dieses Jahr war jedoch insofern etwas besonderes, da es auch ein FDGL-Camp in Wacken gab. Als frischgebackene Mitglieder (ich hatte mir den Patch am Samstag noch schnell auf die Kutte genäht…), machten wir uns daher am frühen Nachmittag auf die Reise. Reise, denn das Camp von Merry, Dieter, Steffi und Michi lag gefühlt am Arsch des Campgrounds. Jedenfalls ganz weit aussen…
Mi 31.07.2019, Warm-Up
Mittwoch, das Vorprogramm beginnt. Im Bullhead City Circus Zelt mit seinen zwei Bühnen spielen unter anderem Sweet und Rose Tattoo, sowie zu späterer Stunde Sisters of Mercy. Der erste Versuch, ins Zelt zu kommen wird durch eine Unwetterwarnung unterbrochen. Das Festival wird aufgrund eines drohenden Gewitters für 30 min. unterbrochen. Ich flitze zurück ins Camp, um alles zu sichern. Unsere Freunde kommen auch zurück und schmeissen den Grill an. Zwangsgrillen sozusagen…
Plötzlich steht die fränkische FDGL Fraktion am Camp. Diese werden zunächst mit einem leckeren Füsch willkommen geheissen: es gibt „Gehängten“. Dabei handelt es sich um eine norddeutsche Spezialität, Anchovisfilet mit Korn. Man stößt dabei „Füsch an Füsch“ an (und achtet dabei auf das ganz besondere Geräusch), schlabbert den Fisch und kippt den Korn hinterher. Lecker! (echt!).
Danach gehen wir gemeinsam in Richtung Bühnen, um Sweet zu sehen.
Leider sind wir etwas zu spät dran. Das Zelt ist rappelvoll und die Security macht vor unserer Nase den Einlass dicht. Uns bleibt also nichts anderes übrig, als hinter dem Zelt Position zu beziehen. Man kann zwar durch die offene Zeltwand die Bühne sehen, bzw. erahnen, besser sind jedoch die beiden Video-Leinwände, die in wechselnden Einstellungen das Konzert nach aussen übertragen. Leider ist der Ton dort miserabel, es kommen nur die Bässe an. Allerdings ist unser Standpunkt strategisch nahe am Bierstand gelegen und Dieter marschiert prompt los, um uns mit dem Getränk zu versorgen, das man in Wacken Bier nennt. Gefühlte drei Stunden später hat er das dann auch geschafft…. Prost!
Zu Rose Tattoo wurde der Sound übrigens etwas besser, nur um dann bei Sisters of Mercy wieder im Abgrund zu verschwinden. Dazu zeigt die Videoleinwand nur noch eine Totale der Bühne… laaangweilig. Abbruch.
Do 01.08.2019, Erster „voller“ Festivaltag
Heute ist der erste „echte“ Festivaltag. Das Infield wird heute eröffnet und traditionell tritt Skyline als Erstes an. Die Band, für die Wacken einst ins Leben gerufen wurde. Schließlich war eine Hauptmotivation für das erste Wacken Open Air 1990, der Band, in der Veranstalter Thomas Jensen Bass spielte, die dringend benötigte Auftrittsmöglichkeit zu bieten. Zum 30-jährigen Jubiläum hat Skyline sogar extra zwei Wacken-Hymnen, “30 Years Ago“ und “This is W:O:A“, komponiert und selbst Thomas Jensen betritt für einen Song die Bühne und begleitet am Bass.
Weiter geht es dann für uns mit Beyond the Black. Die junge Band um Sängerin Jennifer Haben strahlt Sympathie und Spielfreude aus. Besonders emotional wird es, als sich Jennifer ans Piano setzt und zusammen mit der furiosen Tina Guo am E-Cello ein virtuoses Duett zum Besten gibt.
„Testament, Alter!“ Gewohnt guter Thrash-Abriss nachmittags um fünf auf der „Louder“ Stage. Chuck Billy und seine Jungs geben mächtig Gas und alle Old-School-Thrasher moshen mit.
Als Airbourne auf der Bühne stehen, schaue ich nicht schlecht. Auf der Video-Leinwand sehe ich den Gitarristen im Fotograben stehen und zusammen mit einem Rollifahrer heftig moshen. Es handelt sich um Björn “Hobbyquerschnitt“, den wir letztes Jahr auf dem Metal Hammer Paradise kennengelernt haben. Björn betreibt ein Blog unter hobbyquerschnitt.de und ist darüber hinaus in weiteren sozialen Netzwerken aktiv. Als wir damals im Gespräch waren, sahen wir plötzlich Holger Hübner, einen der Wacken-Chefs, über den Platz auf uns zukommen. Natürlich haben wir ihn freundlich angequatscht und Björn nutzte die Gelegenheit gleich, Holger um eine Foto-Akkreditierung für das Wacken 2019 zu bitten. Was scheinbar geklappt hat - Glückwunsch!
Der Hauptact am Donnerstag ist Sabaton, die sich zu ihrem 20-jährigen Band-Jubiläum nicht mit einer Bühne begnügen wollen und ihre große Show zu den Songs des neuen Albums “The Great War“ auf beiden Mainstages präsentieren. Ich würde Euch gerne mehr davon erzählen, allerdings hielt ich es wie der Dieter und übte mich in aktiver Sabaton-Vermeidung (es sei uns verziehen...).
Statt Sabaton haben wir uns noch den Geheimtip Sibiir auf der Wasteland Stage angesehen. Die Norweger spielen Post-Metallic-Blackened-Hardcore und sind definitiv einen Besuch wert. Zudem ist die Wastelandstage mit ihrem Feuerspektakel immer eine attraktive Bühne, sobald es dunkel geworden ist.
Fr 02.08.2019, Slayer!!!
Heute heisst es, früh aufzustehen. Wir wollen gleich morgens auf’s Infield, schließlich spielen um 11:00 Uhr bereits die ukrainischen Jinjer mit der unglaublich beeindruckenden Sängerin Tatiana Shmaylyuk, die zum vielseitigen Metalcore Crossover Sound der Band wie keine andere übergangslos zwischen Growl- und Klargesang wechselt.
Übrigens, typisch Metalheads: Die Gates zum Infield sind noch geschlossen und es bilden sich ganz brav geordnete Schlangen. Man drängelt nicht, unterhält sich und wartet geduldig, bis man drankommt.
Gleich im Anschluss spielen Queensrÿche auf der Mittelbühne. Natürlich nicht mehr mit Geoff Tate, der 2012 nach andauernden Schwierigkeiten von seinen Musikerkollegen entlassen wurde und seitdem mit seiner Band Operation: Mindcrime für Verwirrung sorgt. Nun steht Todd La Torre am Mikrofon und kann uns voll überzeugen. Neben uns ein alter Fan im original Tour-Shirt der Operation Mindcrime-Europatour, der sich wie ein kleines Kind freut. Wir freuen uns ebenfalls, schließlich werden wir Queensrÿche beim Christmas Bash 2019 noch einmal erleben dürfen.
Wer von Euch kann sich noch an die Crossover-Band Body Count erinnern, die mit ihrem 1992 erschienenen gleichnamigen Song bzw. Album damals in jeder Metaldisco gespielt wurden? Tatsächlich waren Body Count featuring Ice-T beim diesjährigen Wacken live zu erleben. Wer’s mag, Motherf*****!
Langsam wird’s spannend - Anthrax heizen ein! Joey Belladonna und der coolste alte Mann, der je in einer Heavy-Metal-Band, Gitarre gespielt hat, Scott Ian liefern ein energiegeladenes Set und bringen mit ihren Songs den Moshpit zum Kochen.
Was passiert, wenn sich die beiden Freunde Hansi Kürsch von Blind Guardian und Jon Schaffer von Iced Earth für ein Bandprojekt zusammentun? Es entstehen zwei richtig geile Alben, die nun schon seit 15 Jahren mein CD-Regal bevölkern. Es ist nämlich bereits 20 Jahre her, dass Kürsch und Schaffer begannen, unter dem Namen Demons & Wizards ihre Kreativität zusammenzulegen. Es hat also ein paar Jahre gedauert, bis sie diese Werke auch auf die Bühne gebracht haben. Umso besser ist es geworden! Ein richtig geiles Konzert, das zudem noch mit ein paar Blind Guardian Songs gewürzt wird. Diese klingen, wenn Schaffer sie mit seiner Gitarrentechnik spielt, fast noch besser!
Eigentlich warten wir heute aber alle auf Slayer, die ihr letztes Konzert in Deutschland auf dem Wacken spielen, bevor sie in den verdienten Ruhestand gehen wollen. Mittlerweile ist es auch Nacht geworden, die Bühne liegt im Dunkeln und der gespenstische Backdrop, in rotes Licht getaucht, kommt umso besser zur Geltung, als Slayer mit Repentless eröffnen. Kerry King mit Glatze und imposantem Bartzopf drischt eine Nummer nach der anderen.
Feinster Thrash, von Tom Arraya in die Nacht geshoutet und von den Fans dankbar angenommen. Das Infield ist rappelvoll. Wehmut schwingt bei manchen mit, immerhin ist es die letzte Chance, die Giganten Slayer live zu erleben. Raining Blood kommt gewaltig daher und sorgt sowohl für Gänsehaut als auch für Nackenschmerzen.
Mein spezielles Highlight zu später Stunde, kommt wie so oft aus Schweden. Opeth, eine meiner absoluten Lieblingsbands. Mikael Åkerfeldt tritt wie immer humorvoll lakonisch auf und bemerkt schmunzelnd, dass sie bisher noch nie nach Slayer spielen durften. Auch, dass sie es in Wacken eher gewöhnt sind, in praller Mittagssonne aufzutreten und es Ihnen ziemlich schwer fiel, überhaupt so lange wach zu bleiben. Zum Glück gäbe es im Artist Village aber Kekse und Kaffee und er freue sich über so viele Konzertbesucher. In der Tat ist es auch, obwohl es schon halb zwei in der Nacht ist, noch ziemlich voll auf dem Infield.
Rechts leicht schräg vor mir steht ein junger Mann, dessen Dreads bis in die Kniekehlen hängen. Auch geht ein süßlicher Grasgeruch von ihm bzw. von seiner Tüte aus. Um ihn herum ist viel Platz und ich ergreife die Gelegenheit, zwei Schritte weiter vor zu treten. Fehler! Bei Cusp of Eternity fängt er so in sich versunken und hingebungsvoll zu bangen an, dass seine Haartracht einen klar markierten, weitläufigen Kreis zieht und fast schon schmerzhaft auf meinem Kopf und meiner Schulter einschlägt. Schnell wieder den gebührenden Sicherheitsabstand einnehmen. Opeth schließen das Set mit Deliverance und erweisen damit allen alten Fans die Ehre.
Sa 03.08.2019, Letzter Festivaltag
So schnell kann’s gehen. Es ist bereits Samstag, der letzte Festivaltag. Auf der Running Order steht heute eher coriges, den Headliner bilden heute Parkway Drive. Dennoch hat der Tag einiges an Erlebnissen zu bieten, so muss der alte Herr in mir auf jeden Fall zu Uriah Heep_. Auch wenn von den alten Heep nur noch der sympathische Mick Box übriggeblieben ist, der uns dafür aber sehr herzlich auf Deutsch begrüßt und uns natürlich, nach etlichen Liedern vom aktuellen Album Living the Dream , auch mit Lady in Black belohnt.
Auch Kvelertak machen Laune. Allerdings müssen wir nach drei Songs weiter in Richtung Wasteland. Ein FDGL-Fototermin wartet. Auf der Wasteland Stage machen sich gerade Critical Mess bereit für ihren Auftritt, deren Fronterin Britta Görtz nicht nur in Wacken, sondern auch beim FDGL-Growl-Workshop beweisen wird, dass sie es drauf hat.
Übrigens, während wir auf Critical Mess warten, werden wir von einem Fotografen angesprochen, der unsere Kutten fotografieren möchte. Dabei ist ein herrliches Bild entstanden, dass bereits auf Facebook entdeckt wurde und im FDGL Chat kursierte.
Dann geht’s los. Critical Mess knüppeln und haben die Crowd schnell auf ihrer Seite. Es bildet sich ein Circle, der nahezu den gesamten Bereich vor der Wasteland Stage einnimmt. Crowdsurfer gelangen in den Circle, werden vom Circle weitergetragen und an der Bühne abgeliefert oder gleich wieder mit zurückgenommen. Hammer, Hammer, was hier abgeht.
Ich bleibe nicht die ganze Zeit dabei, da ich unbedingt noch die jungen Isländer Vintage Caravan im Bullhead City Zelt erleben möchte.
Eine weiteres Spektakel steht uns noch mit der 30th Anniversary Show bevor, die ihr Euch auch auf YouTube ansehen könnt. Das Jubiläum wurde mit einer aufwändigen Video-, Feuer-, Laser- und Life-Performance gefeiert. Gleichzeitig wurden die ersten Acts für das 2020er „Themen-Wacken“ im Zeichen der Mayas und Azteken angekündigt.
Parkway Drive ziehen mit einem Fackelzug direkt durch die Menge auf die Bühne, eröffnen mit Wishing Wells und Prey und kündigen danach an, dass der Gig beinahe ausfallen musste, da sich der Bassist ein Knie gebrochen hatte. Sänger Winston McCall kündigt daraufhin an: „Please welcome our new and improved bass player on a wheel chair!“ und Bassist Jia O’Connor wird von seiner Mutter (!) im Rollstuhl auf die Bühne geschoben. Diese wiederum nutzt die Gelegenheit und startet zu Carrion in die Menge, um zum ersten Mal in ihrem Leben zu crowdsurfen. Wie die Menge sie feiert!
So 04.08.2019, Trennungsschmerz
Tja, am Sonntag ist dann wieder alles vorbei. Schade. Es löst sich auf, man verabschiedet sich und fährt wieder heim. Bei der Abfahrt vom Platz begegnen uns nochmal zufällig die Wabers und wir winken uns von Auto zu Auto zu, bevor wir uns in die Abreiseschlange einsortieren, diese aber bald wieder verlassen, da wir noch ein paar Tage an der Ostsee daranhängen werden. Schön war’s!